Warum “Genderkritiker” gefährlich sind

Die Debatte über einen abgesagten Biologie-Vortrag an der Berliner Humboldt-Universität zeigt: Weltweit wird derzeit Stimmung gegen trans Menschen gemacht - mit ausgrenzender rechtskonservativer Kulturkampfrhetorik.

Innerhalb weniger Tage wird in Deutschland zunächst ein fortschrittliches Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt, das Menschen die freie Wahl ihrer Geschlechtsbezeichnung ermöglichen soll, wovon vor allem trans Personen profitieren; und es bricht eine öffentliche Debatte darüber los, ob die Gleichstellung nicht-binärer und transgeschlechtlicher Identitäten überhaupt legitim ist. Dieses vermeintliche Paradox ist bezeichnend: Um die Rechte queerer Menschen entzünden sich derzeit gesellschaftlich gefährliche Kämpfe.

Anlass der erwähnten Debatte ist der Vortrag, den eine Biologie-Doktorandin an der Humboldt-Universität in Berlin halten wollte. Die These lautete, dass es aus wissenschaftlicher Sicht nur zwei Geschlechter gebe. Daraus sei zu folgern, dass etwa trans Frauen und trans Männer als geisteswissenschaftliche Fiktionsbehauptungen lebten. Da die Biologin öffentlich “Transgender” mehrfach als Ideologie bezeichnet hatte, und Zweifel an den fachlichen Grundlagen bestand, gab es Protest gegen den Vortrag; die Universitätsleitung sagte ihn in einem unschönen Manöver ab; gedeutet wurde das Ganze vielfach als Angriff der lauten Berliner Queeren-Lobby auf die Meinungsfreiheit.

Weshalb wird öffentlich Stimmung gemacht gegen eine Minderheit?

Man könnte jetzt abwinken und das Ganze als eine weitere Episode abseitiger Wokeness-Streitereien einordnen. Schließlich bilden trans Menschen eine verschwindend kleine Minderheit weltweit; in Deutschland nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung. Doch gerade weil sie so wenige sind, ist es umso besorgniserregender, wie massiv derzeit von sogenannten Gender-Kritikern öffentlich Stimmung gemacht wird gegen die Idee, dass Geschlecht nicht einfach nur eine anatomisch-biologische Tatsache sei.

Denn was in Deutschland wie ein kleinkarierter Medienkrieg wirkt, ist in anderen Ländern schon längst ein fest etablierter Bestandteil rechtskonservativer Kulturkampfrhetorik. Beispiel USA: In diesem Jahr wurden bislang mehr als 300 Gesetzesentwürfe vorgelegt, um die Rechte von trans Menschen zu beschränken; die meisten davon betreffen Jugendliche. In Polen errichten Bürger sogenannte LGBT-freie Zonen, es gibt immer wieder Versuche, queere Veranstaltungen in der Öffentlichkeit zu verbieten. In England macht seit Jahren eine Bewegung von Publizistinnen und Prominenten Stimmung gegen die Gleichstellung von trans Frauen.

Deutsche “Genderkritiker”, wie sie hierzulande bei der AfD, unter Publizisten und auch in feministischen Organisationen zu finden sind, schließen hier an. Das Argument lautet dabei immer: Diese paar Menschen wollen ihre unnatürliche Lebensweise und ihr seltsames Geschlechterverhältnis der Mehrheit aufdrängen. Gerade trans Frauen werden oft als getarnte Männer verunglimpft, die sich auf Kosten von Frauen Vorteile verschaffen wollen, im Sport oder in weiblichen Umkleiden.

Das ist nicht nur ungerecht und ausgrenzend; es ist gefährlich. Gerade weil trans Menschen so wenige sind und in ihrer Lebensweise und Identität manchen so fremd erscheinen, ist ihnen die Solidarität und der Rückhalt der Mehrheit alles andere als sicher. Demokratien müssen sich daran messen lassen, wie sie die Schwächsten in ihrer Mitte schützen. Trans Menschen sind nicht grundsätzlich schwach. Doch so laut und bunt ihre Lobby sein mag, stark macht es sie nicht unbedingt. Sie kann Rückhalt gebrauchen von allen, die Ausgrenzung auch sonst nicht akzeptieren.

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