Eine Nagelprobe für den Umgang mit Diktatoren

Im Fall der ukrai­ni­schen Ex-Macht­ha­ber kann die Schweiz ih­ren Wil­len zur Rück­füh­rung von Po­ten­ta­ten­gel­dern be­wei­sen

Für hiesige Verhältnisse schnell und für einmal nicht als Reaktion auf ausländischen Druck hat die Schweiz im Nachgang zum Arabischen Frühling eine Rechtsgrundlage für das sogenannte «Asset Recovery» geschaffen. Also ein Gesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG). Ob die angestrebte Pionierrolle bei der Rückgabe von Potentatengeldern damit gestärkt wird, ist allerdings offen. Denn bisher blieb der Erlass weitgehend wirkungslos.

Eine grössere Bewährungsprobe steht mit dem Entscheid des Bundesrats bevor, die seit 2014 gesperrten Vermögenswerte aus dem Umfeld des gestürzten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch einzuziehen. Es geht zurzeit um gut 130 Millionen Franken. Der Löwenanteil von mehr als 100 Millionen Franken betrifft Vermögenswerte des früheren ukrainischen Parlamentariers und JanukowitschVertrauten Juri Iwanjuschtschenko, darunter auch eine Eigentumswohnung.

In seinem Fall hatte auch die Bundesanwaltschaft wegen Verdachts auf Geldwäscherei und Beteiligung an einer kriminellen Organisation ermittelt, das Verfahren aber vor Jahresfrist eingestellt. Die Gelder blieben sowohl gestützt auf ein Rechtshilfeverfahren wie auch wegen der vom Bundesrat 2014 per Notrecht erlassenen Sperre eingefroren.

Weil sich die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der Ukraine mit dem russischen Angriff massiv erschwerte, hatte der Bundesrat im Mai beschlossen, im Fall der Vermögenswerte von Iwanjuschtschenko ein Einziehungsverfahren einzuleiten. Gemäss SRVG erfolgt dies durch eine Klage des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses prüft, ob die fraglichen Vermögenswerte unrechtmässig erworben wurden und ob der Bundesrat bei der Sperre die gesetzlichen Bedingungen beachtet hatte.

Herkunftsstaaten sind gefragt

Der Sperre muss ein Rechtshilfegesuch des Herkunftsstaates vorangegangen sein. Eine weitere Voraussetzung ist, dass dieser «die Anforderungen an ein Rechtshilfeverfahren wegen des völligen oder weitgehenden Zusammenbruchs oder der mangelnden Verfügbarkeit seines Justizsystems nicht erfüllen (Versagen staatlicher Strukturen)» kann.

Das EFD hat die Klage im Fall Iwanjuschtschenko bisher nicht eingereicht. Die Priorität habe bisher darin bestanden, zu prüfen, in welchen Fällen administrative Einziehungsverfahren eingeleitet und Vermögenswerte im Hinblick auf Einziehung gesperrt werden könnten, heisst es auf Anfrage im Departement Keller-Sutter. «Die Prüfung der einzelnen Fallkomplexe war umfangreich und erforderte daher entsprechend Zeit.»

Die Vorbereitung werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Hinzu kommen gemäss dem Entscheid des Bundesrats nun zusätzliche Einziehungsklagen für rund 30 Millionen Franken. Sie werden laut EFD einzeln eingereicht, da auf die besonderen Umstände der jeweiligen Fälle einzugehen sei. Man strebe aber eine inhaltliche Koordination an.

Nach Auskunft des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sind von den zusätzlichen Klagen ein Mitglied der Familie Janukowitsch sowie weitere Personen aus dem Umfeld betroffen. Auf der Ukraine-Verordnung des Bundesrats, die mit dem Beschluss am 27. Februar ausläuft, sind zurzeit noch acht Personen gelistet: Iwanjuschtschenko und Ex-Präsident Janukowitsch, dessen Sohn Oleksander, der frühere Ministerpräsident Asarow und sein Sohn, der ehemalige Innenminister Sachartschenko, dessen damaliger Stellvertreter Ratuschniak sowie der Geschäftsmann Kurtschenko.

Unklar blieb, was mit den hierzulande gesperrten Vermögenswerten des Politikers Oleksander Jefremow passiert. Er war vom EDA am 30. November von der Liste der Personen im Anhang zur Ukraine-Verordnung gestrichen worden.

Laut einem Beschluss des Bundesstrafgerichts vom 12. Januar ist in seinem Fall ein Entscheid des Bundesamts für Justiz (BJ) über die Freigabe der gesperrten Gelder hängig.

Der Fall Haiti als Beispiel

Das Gericht hiess eine Beschwerde wegen Rechtsverzögerung teilweise gut und wies das BJ an, innert 60 Tagen über den Antrag von Jefremows Firmen auf Freigabe der Vermögenswerte zu entscheiden. Laut früheren Angaben ging es um 33 Millionen Franken. Strittig sind die Angaben Jefremows, wonach die Verfahren der ukrainischen Behörden in seinem Fall eingestellt wurden. Das BJ verwies auf die Kriegswirren und machte geltend, dass dies bisher nicht habe überprüft werden können.

Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts können von den Betroffenen beim Bundesgericht angefochten werden. Danach muss ein internationales Abkommen über die Rückgabe der Gelder zugunsten der Bevölkerung im Herkunftsland ausgehandelt werden. Im bisher einzigen Fall, in dem die Schweiz gestützt auf eine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht Gelder rechtskräftig eingezogen hat, ist noch unklar, wie die 1986 beschlagnahmten 6,5 Millionen Dollar des Duvalier-Clans nach Haiti zurückerstattet werden sollen.

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